Wie finden wir Lösungen für die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung? Agil, legitim und elegant sollen sie sein, diesen Anspruch stellt der Kongress Digitaler Staat, der heute in Berlin stattfindet. Rosa Thoneick erhofft sich von der Veranstaltung einen konstruktiven Austausch, vor allem über die Entwicklung einer neuen Fehlerkultur, die im Widerspruch mit den Verwaltungsstrukturen stehe. Sie diskutiert mit vier anderen Expertinnen und Experten in einem Panel zum Thema „Agile Organisation – Verwaltung im Wandel“.
Thoneick ist Stadtforscherin und Journalistin. Seit 2018 arbeitet sie im CityScienceLab der HafenCity Universität in Hamburg zu digitalen Partizipationsprozessen. „Ich habe seit meinem ersten Praktikum digital gearbeitet“, erzählt sie, „für mich ist das keine Zukunftsmusik, sondern ein selbstverständlicher Arbeitsmodus.“ Sie beobachtet eine starke Disparität in der öffentlichen Debatte um Digitalisierung: Dass intelligente Algorithmen Probleme lösen, werde entweder glorifiziert oder als Gefahr betrachtet. Thoneicks Ziel ist, einen Mittelweg zu finden, indem man das Wissen im öffentlichen Sektor stärkt. Die Verwaltung müsse technische Entwicklung selbst in die Hand nehmen und mitgestalten, anstatt die dafür notwendige Expertise komplett den Unternehmen der freien Wirtschaft zu überlassen.
Agile Verwaltung: Weniger Routine, freieres Arbeiten
„Wir bewegen uns hin zu einer Wissensgesellschaft, in der Innovation und Transformation zum Arbeitsalltag gehören“, sagt Thoneick. Agile Verwaltung bedeute zum einen weniger Routine, da sie einen Rahmen für freieres Arbeiten schaffe, zum anderen eine affirmative Haltung, mit Unsicherheit umzugehen. Die Systemstabilität in der Verwaltung stehe noch zu sehr im Widerspruch mit einer Unternehmenskultur, die Fehler als Quelle von Lernen betrachte und eigenverantwortliches Handeln fördere.
Das City Science Lab ist ein Forschungslabor an der HafenCity Universität Hamburg, das in Zusammenarbeit mit der Stadt, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft die Digitalisierungsprozesse von Städten erforscht. Thoneick arbeitet dort derzeit an zwei großen Projekten: Das Digitale Partizipations-System (DIPAS), ein Gemeinschaftsprojekt des CityScienceLab, der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und der Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung, bietet ein Tool zur informellen Bürgerbeteiligung. Dieses ist online über einen großen Touch Desk nutzbar, aber auch in Workshops vor Ort.
MICADO: Digitaler Verwaltungszugang für Migranten
Das Projekt MICADO soll anhand digitaler Anwendungen Ankommens- und Integrationsprozesse von Migrantinnen und Migranten erleichtern und effizienter gestalten. Dazu gehören beispielsweise eine Chatbot-Sprachschnittstelle und ein Matching mit Mentoren. Dabei arbeitet das CityScienceLab in einem Konsortium aus 15 Partnern in Hamburg, Madrid, Wien, Bologna und Antwerpen. Datenanalyse und Datenintegration sollen sowohl die Kommunikation mit und zwischen Kommunalverwaltungen vereinfachen als auch den Zugang zu Informationen. Besonders anwendungsorientiert wird dieses System durch den kollaborativen Forschungsansatz: In Workshops mit Beteiligten werden zunächst Bedarfe ermittelt, diese werden dann mit Daten der Städte verglichen.
Im europäischen Vergleich sieht Thoneick Städte wie Tallin, Barcelona und Madrid als „Speerspitzen“ der digitalen Verwaltung und als Vorbilder. In Deutschland sei Hamburg, eine der wenigen Städte mit einer Digitalisierungsstrategie, sehr weit. „Wir haben eine lebhafte Start-up-Kultur, wichtige Technologiekonzerne und Forschungseinrichtungen.“ Die Digitalisierungsstrategie und entsprechende Fördertöpfe zeigten eine klare Absichtserklärung. Durch das seit 2012 geltende Hamburgische Transparenzgesetz werde bereits der für die Digitalisierung so wichtige Datenaustausch ermöglicht. Das Gesetz verpflichtet die Verwaltung, Dokumente und Daten kostenfrei online zur Verfügung zu stellen. Auch anderswo sei Deutschland auf einem guten Weg. In Bayern wurde kürzlich ein 12-Punkte-Plan beschlossen, der die digitale Verwaltung neu ausrichtet. „Der Wille ist da und es bewegt sich was“, findet Thoneick.